Planung & Versorgung
Energie Zürichsee Linth

10. März 2022

Abwasser ist eine nachhaltige und sichere Energiequelle

Der Energieverbund Jona wird hunderte Wohn- und Gewerbegebäude mit CO2-neutraler Energie aus Abwasser versorgen. Ernst Uhler, CEO der Energieverbund-Betreiberin, spricht im Interview über Herausforderungen für das Projekt – und wieso nun der Zürichsee als Energiequelle erschlossen werden könnte.

Urs-Peter Zwingli

Urs-Peter Zwingli
Journalist BR

Seit 2018 versorgt der Energieverbund Jona Teile der Stadt Rapperswil-Jona mit lokaler erneuerbarer Energie. Der Verbund bezieht diese aus dem gereinigten Abwasser der ARA Rapperswil-Jona. Das Abwasser ist durch biologische Abbauprozesse in der Kläranlage leicht erwärmt. Diese Wärme wird auf ein Wasser-Ethanol-Gemisch übertragen, das die saubere Energie über ein Leitungsnetz in die Haushalte und Betriebe bringt (zum genauen Prozess siehe Textkasten unter dem Interview). Ernst Uhler ist CEO der Energie Zürichsee Linth (EZL), die den Verbund aufbaut und betreibt.

Ernst Uhler, was leistet der Energieverbund Jona im Bereich der erneuerbaren Energie?

Im Endausbau, der bis 2025 realisiert sein soll, kann etwa 6’000 Kilowatt Leistung ausgeliefert werden. Über das Netz werden dann rund 1’500 mittelgrosse Wohnungen oder etwa 10 bis 15 Prozent des Joner Siedlungsgebietes mit lokal gewonnener, erneuerbarer Energie versorgt. Damit sparen wir im Vergleich zur Gasnutzung jährlich rund 4’000 Tonnen CO2 ein. Zudem fällt die erneuerbare Energie in der ARA Rapperswil-Jona ganzjährig konstant an. Damit setzt der Energieverbund auf eine langfristig gesicherte Energiequelle. Das ist gerade vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine, der Fragen zur Versorgung mit Gas aus Russland aufwirft, ein Faktor. Zudem hat das Projekt auf die Natur einen positiven Einfluss. Das gereinigte Abwasser ist nach der Wärmenutzung nur noch fünf bis sieben statt elf bis zwanzig Grad warm. Weil die Oberflächentemperatur von Gewässern mit dem Klimawandel tendenziell zu hoch ist, ist das kühlere Wasser für den Zürichsee ideal.

Im Kanton St.Gallen gibt es aktuell erst zwei Netze, die Anergie gewinnen. Die EZL hat mit dem Energieverbund Jona also auch ein Pilotprojekt lanciert. Was haben Sie dabei gelernt?

Grundsätzlich ist die Technologie zur Gewinnung von Anergie erprobt und verlässlich. Wir mussten darum eher an Details wie etwa Herausforderungen beim Leitungsbau feilen. Dieser war unter anderem komplex, weil es bereits viele andere Leitungen im Untergrund hat. Sehr wichtig war, möglichst früh Überzeugungsarbeit bei verschiedenen Gruppen zu leisten. Einerseits bei potenziellen Kundinnen und Kunden, da wir schon während der Planungsphase möglichst viele Zusagen für die Abnahme der erneuerbaren Energie sammeln wollten. Und unseren Mitarbeitenden zeigten wir, dass das Projekt für alle eine Chance ist, sich fachlich zu entwickeln. Nicht zuletzt musste die Investition intern begründet und verabschiedet werden. Der Energieverbund brachte für den Bau der Energiezentrale sowie des Leitungsnetzes relativ hohe Anfangskosten mit sich. Doch gerade mit Blick auf die vom Bund angestrebte CO2-Neutralität im Jahr 2050 war der Aufbau des Energieverbundes ein strategisch wichtiger Schritt für die EZL.

Ernst Uhler, CEO EZL q

Die erneuerbare Energie fällt in der ARA Rapperswil-Jona lokal und ganzjährig konstant an. Damit setzt der Energieverbund auf eine langfristig gesicherte Energiequelle.

Ernst Uhler

CEO Energie Zürichsee Linth

Wie geht es mit dem Energieverbund weiter?

Wir spüren reges Interesse von Liegenschaftseigentümerinnen und Liegenschaftseigentümern für einen Anschluss und bauen das Leitungsnetz in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Rapperswil-Jona laufend weiter aus. Auch für 2022 ist eine grössere Etappe geplant. Unsere Erfahrungen mit dem Projekt und mit der Technologie sind positiv. Darum prüft die EZL, in Zukunft nach dem gleichen Prinzip die Abwärme aus dem Zürichsee zu nutzen. Das Potential ist dabei deutlich grösser. Dieses Anergienetz könnte die zwei- bis dreifache Leistung des Energieverbundes Jona liefern. Den Investitionsentscheid dazu wollen wir dieses Jahr fällen.

Impressionen vom Bau und Betrieb

EZL_SchulhausDorf_Heizung
ARA Rapperswil-Jona Quelle
EZL_Baustelle_StGallerstr
Schweissarbeiten Energiezentrale
EZL_Baustelle_StGallerstr
EZL_Dominik_Egli_ARA

Facts zum Energieverbund Jona

  • Maximale Leistung: 6000 Kilowatt oder Wärmeenergie für 1500 mittelgrosse Wohnungen
  • Jährlich eingespartes CO2 bei vollem Ausbau ab 2025: 4000 Tonnen
  • Netzlänge bisher: 1800 Meter

Energie aus der Kläranlage: So funktioniert es
Der Energieverbund Jona gewinnt Energie aus der lokalen Kläranlage (ARA). Das gereinigte Abwasser besitzt über das ganze Jahr eine relativ hohe Temperatur, die im Winter etwa 11 und im Sommer 20 Grad beträgt. Dieses Wasser fliesst in einer Energiezentrale direkt in der ARA durch einen Wärmetauscher. Ein Gemisch aus Wasser und Ethanol nimmt dabei Energie auf. Durch ein Leitungsnetz wird dieser Energieträger in die Haushalte und Firmen in Jona gepumpt. Dort wird mittels Wärmetauscher die Energie für warmes Wasser und die Raumheizung entnommen. Zwar muss eine elektrische Wärmepumpe weitere Energie zuführen. Weil die Quelltemperatur hoch ist, ist der Prozess jedoch effizienter als bei einer herkömmlichen Wärmepumpenanlage. Nach dem genau gleichen Prinzip kann das Trägermedium auch Kälte abgeben – etwa für Klimaanlagen oder auch grössere Kühlanlagen in Gewerbebetrieben. Die Trägerflüssigkeit speist zudem die Wärmezunahme, die bei der Kühlung entsteht, zurück ins Netz. Bis 2022 hat die EZL rund 3,5 Millionen Franken in den Energieverbund investiert.

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