Essen & Reisen
Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL | Künstler:innenkollektiv UVO

05. Juni 2024

Aufgepasst es wird aufgedeckt! - Rat für Ernährung

Wir tun es alle, jeden Tag: Essen. Selten jedoch beschäftigen wir uns mit den Implikationen unserer Ernährungsweise auf Gesellschaft und Umwelt. Und noch seltener überlegen wir uns, wie wir denn das Ernährungssystem gerne hätten. Dem ist eine Gruppe engagierter Bürgerinnen und Bürger des Kantons St. Gallens im Rahmen eines transdisziplinären Forschungsprojekts nachgegangen. Im Projekt „aufgedeckt – Rat für Ernährung“ entwickeln engagierte Bürgerinnen und Bürger aus der Region St. Gallen Visionen für die Zukunft der Schweizer Ernährung und leiten daraus konkrete Empfehlungen für Politik, Industrie und Gesellschaft ab.

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Mirjam Schleiffer
wissenschaftliche Mitarbeiterin FiBL

Das Thema Ernährung betrifft uns alle. Unsere Ernährungsweise hat weitreichende Konsequenzen für Natur, Gesellschaft und Gesundheit. Über ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen sind auf das aktuelle Ernährungssystem zurückzuführen. Dazu tragen einerseits direkte Emissionen wie Methan aus Wiederkäuern oder Reisfeldern, fossile Energieträger für Transport, Beheizung, Verarbeitung von Lebensmitteln bei. Andererseits spielen auch indirekte Emissionen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Letztere entstehen durch die Abholzung von Wäldern oder andere Formen der Landumnutzung um mehr Anbauflächen für Nahrungsmittel zu kreieren. Damit schadet unser heutiges Ernährungssystem nicht nur dem Klima, sondern hat auch weitreichende, negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt und Lebensbedingungen der Menschen.

Wie könnte also eine zukunftsfähige Ernährungsweise aussehen? Dieser Frage widmen sich Bürgerinnen und Bürger des Kantons St. Gallens im Rahmen des transdisziplinären Forschungsprojekts „aufgedeckt – Rat für Ernährung“. Der Rat für Ernährung besteht aus 19 Bürgerinnen und Bürger. Diese wurden über Organisationen und Vereine, die sich mit dem Thema Ernährung beschäftigen, zur Teilnahme eingeladen. Sie sind die Hauptakteurinnen und -akteure des Rates für Ernährung. Aufgeteilt in zwei Gruppen kommen die Teilnehmenden über einen Zeitraum von drei Monaten von Ende März bis Juni mehrfach zusammen, um sich mit dem Schweizer Ernährungssystem und dessen Herausforderungen auseinander zu setzen – dies in einem deliberativen Prozess.

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Am ersten Treffen im «Salon aufgedeckt» in Lichtensteig bauen die Teilnehmenden gemeinsam Visionen für ein zukunftsfähiges Ernährungssystem. Foto: Melanie Ziegler
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Foto: Hanes Sturzenegger

Deliberativer Prozess

In deliberativen Prozessen behandelt eine Gruppe ein kollektives Anliegen durch die Auseinandersetzung mit sorgfältig ausgewählten Informationsmaterialien und Fachinputs sowie gemeinsamer Diskussion. Dies schafft eine fundierte Grundlage für das Treffen von Entscheidungen. Deliberative Prozesse können als Werkzeug in demokratischen Entscheidungsprozessen eingesetzt werden und bieten neue Möglichkeiten, um Dialoge zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik zu unterstützen.

Aufgegleist wird das künstlerisch-wissenschaftliche Projekt vom Künstler:innenkollektiv UVO und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Neben den Erkenntnissen aus dem Rat für Ernährung, untersucht das FiBL in begleitender Forschung wie sich deliberative Prozesse auf die Meinungsbildung der Teilnehmenden auswirken. Das Projekt ist Teil des mehrjährigen Forschungsprojekts Deliberative Diets und wird vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert.

Der Prozess

Im eigens dafür gestalteten «Salon» in der alten Turnhalle in Lichtensteig, haben sich die Teilnehmenden des Rates für Ernährung bereits seit Ende März mehrfach getroffen, um zu diskutieren, visionieren und Fachvorträgen zu lauschen. Interaktion und Kreativität waren dabei zentrale Elemente. So wurden die ersten Zukunftsvisionen fürs Ernährungssystem spielerisch und greifbar auf einem Spielbrett entwickelt und die Beiträge von Fachpersonen in anschliessenden Gesprächsrunden gemeinsam besprochen und vertieft. Ausserdem erhielten die Teilnehmenden während zwei Exkursionen Einblicke in den landwirtschaftlichen Alltag. Danach begann der Rat für Ernährung die Themengebiete für Empfehlungen zu definieren und Massnahmen zu formulieren. Dabei stehen auch Fachpersonen zur Verfügung um Rückmeldung zu geben und Fragen zu klären. Dann nach sechs gemeinsamen Treffen beschliessen die beiden Gruppen des Rates für Ernährung über ihre Empfehlungen für die Zukunft der Schweizer Ernährung.

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Zu den Treffen gehört auch die kulinarische Komponente: Köchin Heidi Rey zaubert ein Mittagessen aus lokalen Zutaten. Foto: Melanie Ziegler
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Hof-Mitarbeiter Jan Geiger stellt den Landwirtschaftsbetrieb Tratthof in Widnau vor. Foto: Hanes Sturzenegger
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Auf dem Biohof Bild erfahren die Teilnehmenden von Betriebsleiterin Corinne Röthlisberger mehr über den Alltag und die Herausforderungen auf ihrem Hof. Foto: Hanes Sturzenegger
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Biohof Bild. Foto: Hanes Sturzenegger

Der Rat für Ernährung definiert eine Bandbreite an Zielen für ein zukunftsfähiges Ernährungssystem. Diese setzen an unterschiedlichen Hebeln des Ernährungssystems an. Zentrale Themen sind die Förderung von vielfältigen, saisonalen und regionalen Produkten, sichere Einkommen für Landwirtinnen und Landwirte, die Marge im Zwischenhandel und wie die Öffentlichkeit und damit auch Konsumentinnen und Konsumenten für gesunde und nachhaltige Lebensmittel sensibilisiert werden können. Die finalen Wortlaute der Empfehlungen können demnächst öffentlich gelesen werden, denn…

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Der Austausch mit Fachpersonen ist integraler Bestandteil des Programms des Rates für Ernährung. Foto: Antonia Galbier
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Nachdem visionieren und lernen der ersten Treffen beginnt der Rat für Ernährung Ziele und Empfehlungen für Massnahmen zu formulieren. Foto: Antonia Galbier
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Sichtung der erarbeiteten Massnahmen. Foto: Melanie Ziegler
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Gedankenwand für die Weiterbearbeitung der gesammelten Massnahmen. Foto: Melanie Ziegler

… der Rat für Ernährung öffnet seine Türen

Vom 26.-30. Juni können Aussenstehende den Prozess und die Ergebnisse hautnah erleben: Der Rat für Ernährung bietet Einblick in seine Arbeit mit einer Installation im Stadtufer in Lichtensteig. Die Installation bietet Besuchenden unter anderem die Möglichkeit Visionen für eine wünschenswerte Zukunft zu erkunden, in Gespräche reinzuhören und sich mit Mitgliedern des Rates über die Zukunft der Schweizer Ernährung zu unterhalten. Auch die nach dreimonatiger Arbeit beschlossenen Empfehlungen für die Zukunft der Schweizer Ernährung werden in der Installation erstmals öffentlich zu lesen sein.

An drei Abenden finden Tischgespräche in der Installation statt: Die öffentlichen Plena widmen sich drängenden gesellschaftliche Fragen zur Zukunft der Ernährung, die auch die Teilnehmenden des Rates für Ernährung bewegt haben. Mehr Informationen zur Installation und den öffentlichen Veranstaltungen finden sich auf der Projektwebsite (aufgedeckt.net).

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