Wirtschaft & Arbeit
Kanton St.Gallen Amt für Wasser und Energie

18. Dezember 2024

Neuartige PV-Anlage auf Gewächshaus in Buchs: «Die Technologie hat ein riesiges Potenzial»

Das Konsortium aus der Lubera Rhein-Baumschule, dem ewb und dem Solarmodulhersteller Insolight erstellte innerhalb eines Jahres die grösste Agri-PV Anlage Europas und entwickelte neue Solarmodule die speziell auf die Bedürfnisse der Agri-PV eingehen. Im Interview mit Adrian Bossart, CEO ewb wird deutlich: Diese Technologie hat noch riesiges Potenzial, auch über die Kantonsgrenze hinweg.

Urs-Peter Zwingli

Urs-Peter Zwingli
Journalist BR

Lichtdurchlässige Photovoltaikmodule, die Strom aus Sonnenenergie produzieren und gleichzeitig als Dach eines Gewächshauses dienen: Das klingt futuristisch, ist aber in Buchs im St.Galler Rheintal Realität. Im Sommer 2024 wurde dort auf einem Gewächshaus der Lubera Rhein-Baumschulen eine sogenannte «Agri-Photovoltaik-Anlage» eröffnet.

Möglich gemacht wurde die aussergewöhnliche Anlage dank einer engen Zusammenarbeit von Lubera mit dem ewb (Elektrizität- und Wasserwerk der Stadt Buchs) und der Lausanner Firma Insolight.

Die Agri-PV-Anlage ist mit 10'700 Quadratmetern die grösste Anlage in ganz Europa.

Die Agri-PV-Anlage ist mit 10’700 Quadratmetern die grösste Anlage in ganz Europa. Mit rund 750’000 kWh jährlich liefert sie genug Strom, um den Energiebedarf von über 160 4-Zimmer-Haushalten abzudecken. Durch die doppelte Nutzung als Pflanzland sowie zur Stromerzeugung wird zudem Fläche gespart, die in der Schweiz knapp ist.

 

Adrian Bossart, CEO des ewb berichtet im Interview über die Hintergründe des Projekts

Adrian Bossart, wie entstand die Idee, eine Agri-PV-Anlage in Buchs zu bauen?
Der Besitzer der Lubera Rhein-Baumschulen, Markus Kobelt, kam 2021 auf uns zu. Er plante einen Neubau eines Gewächshauses für Obst und Gemüse und hatte auf einer Messe eine solche Anlage gesehen. Da das ewb das strategische Ziel verfolgt, grosse Flächen mit Photovoltaik auszustatten, waren wir interessiert. Gemeinsam mit der Firma Insolight aus Lausanne entwickelten wir dann Photovoltaik-Module, die sich nahtlos in Glasgewächshäuser integrieren lassen. Wir konnten dank der Anlage unsere eigene Solarstromproduktion um einen Drittel steigern. Selbst produzierte, nachhaltige Energie macht mittlerweile rund 40 Prozent unseres Angebots aus. Dieser Erfolg bestärkt uns in unserer Strategie und wir werden weiterhin in Photovoltaikanlagen investieren.

Wie funktionieren diese neuartigen Module genau?
Herkömmliche Solarmodule sind darauf ausgelegt, die maximale Energieproduktion pro Fläche zu erreichen. Bei Agri-PV-Anlagen geht es hingegen darum, die ideale Menge an Licht für die Pflanzen durchzulassen und den Rest in Strom umzuwandeln. Der Unterschied liegt in der Dichte der Solarzellen, die geringer ist als bei herkömmlichen Anlagen. Konkret gehen 80 Prozent des Sonnenlichtes durch für die Pflanzen, 20 Prozent werden für die Energieerzeugung genutzt. Das Potenzial der Technologie ist riesig: Jedes Gewächshaus kann theoretisch mit den lichtdurchlässigen Solarmodulen nachgerüstet werden.

Bei Agri-PV-Anlagen geht es darum, die ideale Menge an Licht für die Pflanzen durchzulassen und den Rest in Strom umzuwandeln.
Durch die doppelte Nutzung als Pflanzland sowie zur Stromerzeugung wird Fläche gespart, die in der Schweiz knapp ist.
Durch die doppelte Nutzung als Pflanzland sowie zur Stromerzeugung wird Fläche gespart, die in der Schweiz knapp ist.

Die Pflanzenproduktion im Lubera Gewächshaus ist doppelt nachhaltig: Pflanzen wandeln natürlich Sonnenlicht in Energie und Leben um und fixieren gleichsam nebenbei auch CO2, und das gleiche Gewächshaus liefert zusätzlich zur pflanzlichen Energie Strom für uns Menschen. 

Markus Kobelt Portrait

Markus Kobelt
Geschäftsführer Lubera

Gab es Herausforderungen in dem Projekt?
Der Zeitplan für das Projekt war sportlich, da wir ja nebst der allgemeinen Planung auch die neuen Module in Zusammenarbeit mit externen Partnern entwickeln mussten. Unser gemeinsames Ziel hat uns angetrieben und zu einer sehr guten Zusammenarbeit geführt. Die wichtigste Lektion daraus ist für uns, dass man Mut haben muss, etwas Neues umzusetzen, auch wenn nicht alle Details geklärt sind oder Referenzprojekte zur Verfügung stehen. Die gute Kooperation zwischen den Lubera-Rheinschulen, der externen Firma Insolight, der Stadt Buchs sowie dem ewb als öffentlich-rechtliches Unternehmen war für mich beeindruckend. Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, müssen so unterschiedliche Partner an einem Strang ziehen.

Das ewb ist ein öffentlich-rechtliches Unternehmen der Stadt Buchs. Unter anderem sitzt der Stadtpräsident in der Betriebskommission des Werkes. Wie haben Sie die Bevölkerung und die Gemeinde ins Projekt einbezogen?
Für das Projekt musste die Gemeinde einem Kredit von 1,5 Millionen Franken zustimmen, mit dem sich das ewb am Bau beteiligt hat. Auch darum war ein frühzeitiger Austausch mit Politik und Öffentlichkeit wichtig. Von der Stadt wurden wir mit dieser Idee erfreulicherweise von Beginn weg unterstützt. Die Bevölkerung konnte sich Ende August an einem Tag der offenen Tür ein Bild der Anlage machen.

Die wichtigste Lektion daraus ist für uns, dass man Mut haben muss, etwas Neues umzusetzen, auch wenn nicht alle Details geklärt sind oder Referenzprojekte zur Verfügung stehen. 

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Adrian Bossart
CEO ewb

Wie geht es mit dem Projekt nun weiter?
Die Anlage ist im regulären Betrieb, es gibt in diesem Sinne keine besonderen Aktivitäten mehr. Ich will aber betonen, dass wir offen sind, unsere Erfahrungen mit interessierten Gemeinden und Unternehmen zu teilen. In der Schweiz gibt es viele Standorte, an denen man Gewächshäuser entsprechend bauen oder umrüsten könnte. Würde man die Technologie grossflächig einsetzen, könnten Agri-PV-Anlagen bis zu zehn Prozent des Schweizer Strombedarfs abdecken.

Jedes Gewächshaus kann theoretisch mit den lichtdurchlässigen Solarmodulen nachgerüstet werden.

Vorteile der Agri-PV

  1. Beitrag zur erneuerbaren Energie: Agri-PV ermöglicht die Nutzung von Sonnenenergie zur Erzeugung sauberer und erneuerbarer Energie in der Landwirtschaft, was zur Reduzierung des CO2-Fussabdrucks beiträgt.
  2. Ressourceneffizienz: Agri-PV nutzt begrenzte Flächen effizient, indem es sowohl zur Energieerzeugung als auch für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wird.
  3. Diversifizierung der Energiequellen: Agri-PV trägt zur Diversifizierung des Energiemixes bei, verringert die Abhängigkeit von importierten Energiequellen und stärkt die Versorgungssicherheit.
  4. Synergien zwischen Landwirtschaft und Energieerzeugung: Indem Landwirtschaft und Energieerzeugung miteinander verbunden wird, schafft Agri-PV Synergien und trägt so zu einer nachhaltigen Entwicklung bei.
  5. Stärkung der Landwirtschaft: Indem Agrarbetriebe ihren Energiebedarf mit Agri-PV decken können, wird der landwirtschaftliche Sektor gestärkt.
  6. Grosses Energiepotenzial: Gemäss einer Studie der ZHAW wäre es möglich, circa 10% des Schweizer Stromverbrauchs mit Agri-PV Anlagen zu decken.

Was kann ich tun?

  • Erfahre mehr über PV Projekte im Kanton und schaue direkt nach, wie viel PV Potenzial deine Gemeinde bereits nutzt: St.Galler PV-Allianz
  • Du hast selbst ein Gebäude? Dann prüfe ob sich dein Dach oder deine Fassade für eine Solaranlage eignet: Sonnendach
  • Für Unternehmen und Private: Neben den Förderbeiträgen des Bundes für PV-Anlagen, gibt es auf Energiefranken eine Übersicht über weitere Möglichkeiten

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