Agenda 2030 – Netzwerk St.Gallen

04. Dezember 2024

Schöner Wohnen: aber wie und wo?

Am 12. November 2024 fand in Lichtensteig der Jahresanlass des «Agenda 2030 - Netzwerk St.Gallen» statt. Gastgeberin war die Genossenschaft Freudenau mit dem Projekt zukunft.bahnhof. Das Programm war vielfältig, die Gespräche gut und der Austausch anregend.

Karin Inauen

Karin Inauen
Koordinatorin Nachhaltige Entwicklung, Kanton St.Gallen

Mindesten einmal jährlich trifft sich das «Agenda 2030 – Netzwerk St.Gallen» physisch zum Austausch und zur Vernetzung. Dieses Jahr durften wir beim Projekt zukunft.bahnhof in Lichtensteig zu Gast sein. Thema des Anlasses waren «neue Wohn- und Lebensformen». Wie wir wohnen und leben hat einen grossen Einfluss auf unseren ökologischen Fussabdruck, aber auch auf unser Wohlbefinden.

A2030_Eintreffen

«Wie nachhaltig wohnst du?»

Mit dieser Frage wurden die rund 30 Personen im Chössi Theater in Lichtensteig empfangen. Erste Diskussionen wurden geführt: Was bedeutet denn nachhaltig im Zusammenhang mit Wohnen? Ist es die Fläche, die ich zur Verfügung habe? Sind es die Anzahl Personen mit denen ich zusammenwohne? Ist die Heizung entscheidend? Oder die Anbindung an den ÖV?

A2030_Plenum
A2030_Willkommen
A2030_Plenum_Zukunft_Bahnhof

Weiter ging es dann im Plenum. Zuerst stellte Daniel Schmid-Holz kurz das «Agenda 2030 – Netzwerk St.Gallen» vor. Das Netzwerk setzt sich für die Umsetzung der Agenda 2030 im Kanton St.Gallen ein und ist offen für Akteurinnen und Akteure aus der Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung.

Gastgeberin des Anlasses war die Genossenschaft Freudenau mit ihrem Projekt zukunft.bahnhof – dies stellte uns Martin Hohn vor. Die Genossenschaft konnte das Areal beim Bahnhof in Lichtensteig (wo auch das Chössi Theater drauf steht) im Baurecht von der Stiftung zukunft.bahnhof übernehmen und ist damit Bauherrin und Betreiberin. Die Baubewilligung wird nächstes Jahr eingereicht, die Bauarbeiten sollen dann im 2026 starten, so dass Anfang 2028 die ersten Bewohner:innen einziehen können.

«Wie wollen wir in Zukunft leben?»

Diese Frage leitet und begleitet die Genossenschaft Freudenau. Die modellhafte Arealentwicklung beim Bahnhof Lichtensteig soll ein nachhaltiges und gemeinschaftliches Leben erfahrbar machen und zu einem enkeltauglichen Zusammenleben inspirieren. Angestrebt wird eine ganzheitliche Mischnutzung mit vielen Facetten und die Entstehung eines einzigartigen Begegnungsortes. Neben Wohnen wird es auch ein Gastronomie-, Beherbergungs- und Kulturangebot geben.

 

A2030_kurzer_Augenschein_zukunftbahnhof
A2030_Pavillon
A2030_Weg_zum_Stadtufer

Nach einem kurzen Augenschein im Gelände, machte sich der Trupp auf in Richtung Stadtufer. Ein Genossenschaftsprojekt in unmittelbarere Nähe des Bahnhofs Lichtensteig. In der ehemaligen Spinnerei und nach der Schliessung der Fein-Elast Grabher AG im 2017 entstand aus einer partizipativen Entwicklung die Genossenschaft Stadtufer. Seit 2021 entwickelt sie die rund 7’000 Quadratmeter Fläche zu einem Ort an dem Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und Kreativität gelebt wird.

A2030_Fuehrung_im_Stadtufer

Silke Kavelage vom Stadtufer führte uns durch die Räumlichkeiten. In den ehemaligen Fabrikhallen befinden sich Werkstätten, Ateliers, Musik- und Sporträume. Das Herzstück des Gebäudes bildet das «Foyer», welches Platz für bis zu 200 Personen bietet. Zukünftig soll auch noch Wohnraum entstehen. So soll Wohnen, Leben und Arbeiten am Ufer der Thur zusammenkommen.

A2030_Stadtufer_Führung_draussen
A2030_Reuse_Stadtufer
A2030_Stadtufer
A2030_Stadtufer_Iglu
A2030_Stadtufer_provisorische_Treppe

Zurück im Restaurant des Chössi Theaters ging es weiter mit drei Tischgesprächen. Die Teilnehmenden konnten sich aussuchen, ob sie sich weiter zum zukunft.bahnhof austauschen. Oder ob sie etwas über Kleinwohnformen oder das Bauprojekt REM3 in St.Gallen erfahren möchten.

A2030_Tischgespraech_zukunftbahnhof

Wie wollen wir in Zukunft leben – Genossenschaft Freudenau
Am Tischgespräch mit Martin Hohn wurde fleissig weiterdiskutiert. Die Teilnehmenden hatten ja bereits am ersten Teil des Anlasses gehört, was geplant ist rund um das Areal beim Bahnhof in Lichtensteig. Darum konnten sie an diesem Tisch rasch in die Diskussion einsteigen. Die Runde hat sich an der Leitfrage der Genossenschaft Freudenau «wie wollen wir in Zukunft leben?» orientiert.

Zuerst wurde über die Gegenwart nachgedacht: wer wohnt wie? welche Möglichkeiten zu wohnen gibt es überhaupt? Diskutiert wurde unter anderem, wie wichtig es ist, dass man sich überhaupt bewusst ist, dass es Alternativen zu den «üblichen» Wohnformen gibt. Dies sei der erste Schritt. Im Weiteren braucht es dann aber natürlich auch den Willen zur Veränderung. Nach diesem etwas allgemeineren Einstieg, ging die Diskussion dann zum geplanten konkreten Projekt zukunft.bahnhof über. Jeder Mensch hat verschiedene Bedürfnisse – wie kann das Projekt alle diese unterschiedlichen Ansichten, Bedürfnisse und Befindlichkeiten unter einen Hut bringen? Fragen, die sich die Projektentwicklerinnen auch häufig und wiederkehrend stellen. Im Zusammenhang mit einem solchen Projekt lässt sich auch über den nötigen Bewusstseinswandel und die damit einhergehenden Verhaltensänderungen nachdenken. Zum Schluss wurde es dann sogar noch philosophisch: Die Tischrunde reflektierte darüber wie Weltanschauungen und Werte eigentlich unser Handeln beeinflussen. Eine grosse Frage über die dann am Apéro noch weiter diskutiert werden konnte.

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Raum effizient nutzen – Ein Plädoyer für Kleinwohnformen
Alesch Wenger, Co-Präsident des Vereins Kleinwohnformen, brachte im Rahmen des Tischgesprächs inspirierende Impulse ein. Sein Beitrag widmete sich der Frage, wie Raum effizient und nachhaltig genutzt werden kann, um zukunftsfähige Wohnformen zu schaffen.
Der Ansatz „Raum ausreizen“ basiert auf der Idee, bestehende Flächen besser zu nutzen und mit durchdachten Konzepten lebenswerten Wohnraum zu schaffen. Dies gilt nicht nur für Neubauprojekte, sondern insbesondere auch für bestehende Strukturen und Zwischennutzungen. Wenger betonte, dass Kleinwohnformen, wie sie der Verein fördert, nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch gesellschaftlich relevant sind, da sie flexibel auf die Bedürfnisse verschiedener Lebensphasen eingehen können.
Ein Paradebeispiel dafür ist das Tinyhouse Immergrün, ein kreislauffähig aufgebautes Wohnmodell, das Minimalismus mit Komfort verbindet. Es ist nicht nur platzsparend und energieeffizient, sondern ermöglicht auch eine naturnahe Lebensweise auf 15 m2.
Der Verein Kleinwohnformen setzt sich aktiv für die Realisierung von innovativen Wohnkonzepten ein. Beispiele reichen von der Stöckli-Idee – einer Nachverdichtung in bestehenden Wohnzonen, bei der ältere Generationen kleinere Einheiten bewohnen und den frei gewordenen Raum an Jüngere weitergeben – bis hin zu Zwischennutzungen auf Bauplätzen, die mit mobilen, bewohnbaren Lösungen kurzfristig sinnvoll genutzt werden können.
Ein weiteres zukunftsweisendes Vorhaben ist die Förderung von Bauplatzprojekten, bei denen privates und öffentliches Bauland zu fairen Konditionen vermietet wird, um nachhaltige und leistbare Wohnformen zu ermöglichen. Diese Initiativen setzen ein starkes Zeichen gegen die Raumverschwendung und für die Förderung nachbarschaftlicher Netzwerke.
Die rege Diskussion am Tischgespräch zeigte: Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass Kleinwohnformen eine entscheidende Rolle in der Gestaltung der Wohnzukunft spielen können. Besonders betont wurden folgende Aspekte:
  1. Nachverdichtung: Modelle wie die Stöckli-Idee bieten innovative Lösungen für die bessere Nutzung von Wohnzonen und fördern generationsübergreifendes Wohnen.
  2. Umnutzung: Zwischennutzungen in Bauzonen oder Bestandsgebäuden schaffen kurzfristig bezahlbaren Wohnraum und beleben Brachen.
  3. Bauplatzförderung: Durch die Vermietung von Bauland können Projekte flexibler und wirtschaftlicher realisiert werden.
  4. Politische Einflussnahme: Vereinfachte Bewilligungsverfahren könnten die Umsetzung von Kleinwohnformen erheblich beschleunigen und Hürden abbauen.
Abschliessend betonte Alesch Wenger, dass der Bedarf nach alternativen Wohnformen gross ist – gerade in der Ostschweiz, wo sich viele Menschen ein wohltuendes und vertrautes Wohnumfeld wünschen. Kleinwohnformen bieten eine Antwort auf diese Nachfrage und leisten einen wertvollen Beitrag zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Stadtentwicklung.
A2030_Tischgespraech_REM3
REM3 – Vorzeigeprojekt für nachhaltigen Wohnungsbau
Die Wohnbaugenossenschaft REM3 plant im Osten der Stadt St. Gallen ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt. Max Altherr, Präsident WBG REM3 stellte den Teilnehmenden das Projekt am Tischgespräch vor. Die Überbauung umfasst 69 Wohnungen, welche mit Gewerbe- und Gemeinschaftsräumen ergänzt werden.
Das Bauprojekt soll zudem durch eine ausgezeichnete Architektur, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit herausstechen und damit über die Stadtgrenze hinaus von Bedeutung sein. Die autoarme Überbauung mit einem breiten Wohnungsmix soll das ganze Quartier bzw. dessen Angebot erweitern. Dank der Kostenmiete entsteht bezahlbarer Wohnraum, eingebettet in Energie-autarke Holzhäuser mit einem breiten Angebot an Gemeinschaftsräumen und Freiflächen. Den Bewohnenden stehen eine Quartierbeiz, eine Praxis, selbst gestaltbare Gemeinschaftsräume, Waschsalons, Gemeinschaftsgärten, Joker- und Gästezimmer uvm. zur Verfügung. Das aktuell vorliegende Vorprojekt dient als Grundlage für einen Sondernutzungsplan. Frühester Bezug der Siedlung ist Ende 2028.
Die Teilnehmenden diskutierten rege über das geplante Wohnraumangebot in der Remishueb 3. Welche Gesellschaftsschichten werden angesprochen? Ist es ein Nischenangebot? Welchen Bedürfnissen unserer Gesellschaft wird ein Mehrgenerationen-Projekt gerecht? Wie wollen wir in Zukunft leben?
In einem Punkt waren sich alle einig: In der Ostschweiz ist die Nachfrage nach alternativen Wohnraumangeboten und -formen gross und das Angebot klein. Die Nachbarschaft rückt wieder in den Vordergrund. Wir werden immer älter und wollen dies häufig in einem uns vertrauten und wohlgesinnten Wohnumfeld tun.

Nach den Tischgesprächen und einer kurzen Präsentation der Diskussionen aus den Gruppen, war es Zeit für den wohlverdienten Apéro. Bei Brötchen und Wein wurde noch weiterdiskutiert und sich ausgetauscht.

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